Klaus Dittmer

Ob es an seiner Kindheit in historischen Umbruchzeiten lag, dass der Orthopädie-Technik-Meister zum Hobbyhistoriker seiner Zunft wurde? Klaus Dittmer wurde als Sohn eines Bandagistenmeisters 1941 in Berlin geboren. Als Kind erlebte er zunächst die Bombennächte und dann den Einmarsch der Roten Armee.

Klaus_Dittmer

Orthopädie-Technik-Meister und Hobbyhistoriker Klaus Dittmer. Foto: Mike Minehan

Doch bevor er in die Fußstapfen seines Vaters trat, machte er nach der Realschulzeit eine Grundausbildung als Werkzeugmacher in einer Einrichtung des Senats von West-Berlin. Erst danach folgte ab 1959 eine dreijährige Lehre im Oskar-Helene-Heim zum Orthopädie-Mechaniker. Mit seiner Gesellenarbeit wurde er 1962 Landessieger im Berufswettkampf.

Nach einem Aufenthalt in den USA kehrte Dittmer 1964 nach Berlin zurück in die orthopädische Werkstatt des Oskar-Helene-Heims. Sepp Heim suchte für die GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) Mitarbeiter für den Aufbau einer orthopädischen Versorgungs- und Ausbildungswerkstatt in Tunesien. Nach kurzer Bedenkzeit erfolgte Klaus Dittmers Bewerbung und die Zusage von „DÜ“ (Dienst in Übersee), seine Tätigkeit zu finanzieren. Von 1968–1971 begleitete der junge Orthopädie-Techniker den Aufbau einer Werkstatt in Tunis und Sousse, die Ausbildung tunesischer Fachkräfte sowie die Fertigung von Orthesen nach Polioerkrankungen.

Ab 1971 war Klaus Dittmer für den väterlichen Betrieb in Berlin-Wilmersdorf tätig. Nicht zuletzt, um die Firma später übernehmen zu können, legte er 1973 die Meisterprüfung ab. Von Anfang an hatte sich der Orthopädie-Technik-Meister beruflich der Versorgung von Kindern zugewandt, wobei er ein besonderes Augenmerk auf Spina-bifida-Patienten legte.

Das Ende der DDR 1989/90 bedeutete unter anderem, dass staatliche Betriebe für technische Orthopädie privatisiert wurden und es einer gemeinsamen Innung bedurfte, um mit Krankenkassen Preisvereinbarungen schließen zu können. 1993 wurde durch Mitgliederbeschluss die gemeinsame Innung Berlin-Brandenburg gegründet. Der erste Kongress „Orthopädie + Reha-Technik“, der aufgrund der Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa Teilnehmer aus allen Teilen Europas vereinte, fand 1991 in Berlin statt. Klaus Dittmer unterstützte sowohl die Innungs-Gründung als auch den Kongress mit seiner Expertise.

Mit Auflösung der alten Sowjetunion Anfang der 90er-Jahre konnte die neue russische Föderation jede Hilfe gebrauchen. „Der Tagesspiegel“ sammelte für St. Petersburg Hilfsgelder, mit denen auch die orthopädische Universitätsklinik unterstützt wurde. Aus vorsichtigem Kennenlernen wurde Freundschaft, die schließlich 1993 zur Gründung einer russischen Fachvereinigung führte, der „All-Russian Prosthetists and Orthopaedist Guild“, die heute als eine der größten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Russlands gilt. Klaus Dittmer begleitete als Experte mit Unterstützung des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) die Gründung der Gilde in Russland.

Neben seinem ehrenamtlichen Engagement für die eigene Zunft und seiner beruflichen Tätigkeit sammelte der Orthopädie-Technik-Meister leidenschaftlich historische Zeugnisse seines Handwerks. Im Jahr 2007 schenkte er einen Teil seiner Sammlung zur technischen Orthopädie an das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. 2014 erfolgte die Übergabe einer weiteren Sammlung zur Orthopädie-Technik an das Deutsche Museum in München. Parallel arbeitete er an eigenen medizinhistorischen Ausstellungen. Im Jahr 2014 zeigte eine Sonderausstellung im Eingangsbereich der Leipziger Messe die Geschichte des Krankenfahrstuhls. Das Fraunhofer IPA in Stuttgart unterstützte ihn im gleichen Jahr bei der Realisierung mit der Geschichte der Margarete Steiff und ihrem wohl weltweit ersten barrierefreien Unternehmen. Seit 2010 greift der Hobbyhistoriker alle zwei Jahre unterschiedliche Themen der Geschichte der Orthopädie-Technik in Form von Sonderausstellungen auf der OTWorld auf. Zuletzt, 2018, widmete er die Ausstellung der „Orthopädie-Technik in Deutschland nach 1945 – Ein Rückblick auf 60 Jahre Handwerks- und Verbandsgeschichte“.

Aus Anlass des Krieges in der Ukraine engagiert sich Klaus Dittmer für die Versorgungen von Verletzten und für Hilfstransporte für die Ukraine.

Zur OTWorld 2014 erhielt Klaus Dittmer für sein berufspolitisches und historisches Engagement die Heine-Hessing-Medaille des BIV-OT.